Nachdem die Canon 600Da nur als Zwischenlösung fungierte musste eine neue Kamera her. Die Anforderungen waren recht schnell abgesteckt. Wegen des mobilen Einsatzes sollte es eine Farbkamera sein, das LRGB-Verfahren war zwar machbar und lieferte schöne Ergebnisse, aber der Aufwand alles an einem Abend zu machen war sehr hoch. Auch gekühlt sollte die neue Kamera sein, die ersten Aufnahmen mit der Canon in der sommerlichen Wärme waren doch sehr ernüchternd. Die bereits etablierten Hersteller haben ehrlich gesagt nur wenige Farbkameras im Angebot und die Preise sind doch recht happig. Der neue Anbieter ZWO ist noch jung auf dem Markt und ist schon jetzt dabei ihn etwas aufzumischen. Im Angebot sind keine CCD-Sensoren, sondern gekühlte CMOS, die günstiger in der Anschaffung sind.
Zur Auswahl standen die ASI1600MC-C und die ASI071MC-C, ganz kurz auch wieder die Monochrome-Variante der ASI1600 (Schmalband reizt dann doch irgendwie). Beide sind sich von den Daten recht ähnlich, recht geringes Ausleserauschen und ähnliches Bildfeld (MicroFourThirds zu APS-C). Allerdings ist die Bittiefe und Die Fullwellkapazität recht unterschiedlich. Die ASI1600 hat 12 Bit und circa 20.000e Fullwell und scheint damit eher auf kurze Belichtungszeiten bei lichtstarken Optiken ausgelegt zu sein. Mein APO ist mit f7 aber nicht gerade schnell und ich muss daher deutlich länger belichten. Damit die helleren Sterne nicht gnadenlos ausbrennen sind die 14 Bit und die 41.000e Fullwell der ASI071 im Vorteil. Daher viel die Wahl auf die ASI071.
Die technischen Daten der Kamera:
- Sensor: Sony IMX071
- Sensortyp: CMOS
- Auflösung: 4944 x 3284 Pixel (16 Megapixel)
- Diagonale: 28,4mm
- Bayermatrix: RGGB
- Quanteneffizienz: Rot ~90%, Grün ~100%, Blau ~85%
- Bittiefe: 14 Bit
- Verschluss: Rolling Shutter
- Belichtung: 64µs bis 2000s
- Ausleserauschen: 2,3e bei Gain 24
- Fullwellkapazität: 46.000e bei Gain 0
- Kühlung: Delta 35 Grad
- Stromversorgung: 12V, maximal 3A
- Anschluss: USB 3.0
- Beosnderheiten: USB-Hub für 2x USB 2.0
- Gewicht: 500g
- Abmessungen: 78mm Durchmesser, 86,5mm Länge
Ersteindruck
Die Kamera ist nachdem Auspacken zunächst einmal kleiner als gedacht und Im Gegensatz zur Canon 600Da etwas leichter (im Gegensatz zur QHY9 deutlich leichter). Die Verarbeitung sieht sauber aus, der rotglänzende Kamerakörper ist durchaus ein Hingucker. Der Sensor wird durch eine Staubschutzkappe mit Dichtung geschützt und wird im betrieb durch den beiliegenden Adapter von M42 auf M48 ausgetauscht. Zusammen mit der Verlängerung kommt das Set dann auf 55mm Abstand zum Sensor. Ein nettes Gimmick: Die Länge der Hülsen ist in weißer Schrift aufgedruckt. Das darauf bis jetzt noch niemand kam ist eigentlich sehr traurig! Vor dem Sensor befindet sich ein Schutzglas, das über keinerlei Infrarot-Sperrung verfügt, weswegen man die Kamera unbedignt mit einem IR/UV-Sperrfilter betreiben sollte.
Ich habe die ASI071 mit APT 3.3 in betrieb genommen, ZWO stellt dafür auf ihrer Webseite einen universellen ASCOM-Treiber zur Verfügung. Wer wie ich weitere ASI-Kameras betreibt, zum Beispiel zum Guiden muss dann in den Einstellung ASCOM (1) bzw. ASCOM (2) wählen und sich für eine Kamera entscheiden. Die Kamera wird prompt erkannt und der Lüfter beginnt zu laufen. Der Dialog mit den Kameraeinstellungen ist sehr übersichtlich und aufgeräumt:
Ich sehe auf den ersten Blick welche Kamera an welchem USB-Anschluss angesteckt ist, außerdem werde ich auf die Art der Bayermatrix hingewiesen, diese Einstellung braucht man zum Debayern (aus dem Schwarzweiß-Rohbild ein Farbbild machen). Mit der Checkbox „Anti-Dew“ schaltet man die Heizung der Frontscheibe ein, wichtig wenn die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist. Die Einstellungen für Gain und Offset können frei eingestellt werden, es gibt auch die Möglichkeit die Einstellungen als Voreinstellung mit einem Namen zu speichern. Die Einstellungen für „Highest Dynamic Range“ und „Unity Gain“ sind bereits ab Werk hinterlegt.
Das mitgelieferte USB 3.0 Kabel ist recht flexibel und scheint von ganz guter Qualität zu sein. Der Stecker passt sauber in die Buchse, da wackelt nichts. Die zwei kurzen USB-Kabel für den USB-Hub und zur Guiding-Cam (oder weiterem Zubehör wie Filterrad) sind etwas steifer und zumindest für mein Setup zu kurz, mehr dazu später. Bis auf das Lüfterrauschen ist die Kamera absolut lautlos, bei der Canon oder der QHY hab ich ja immer auf den Verschluss gelauscht um zu sehen ob die Kamera noch arbeitet. Das geht hier nicht. Mit dem APT „Cooling Aid“ kühle ich die Kamera bei 20° Zimmertemperatur auf -15° herunter, das geht problemlos, die Kühlung läuft dann allerdings bei 90%. Viel mehr wird nicht gehen und wurde auch nicht versprochen. Das sollte für eine Sommernacht aber locker reichen. Schnell sind ein paar erste Probebilder gemacht, der Download der FIT-Dateien (31.7MB) geht sehr schnell.
Bias-Frames
Vergleich der Bias-Bilder, Kamera auf 0 Grad Celsius. Jeweils 32 Bilder mit einer Belichtungszeit von 0.001 Sekunden.
Dark-Frames
Vergleich der Dark-Bilder, Kamera auf -15 Grad Celsius. Jeweils 24 Bilder mit einer Belichtungszeit von 600 Sekunden.
First Light
Für das First Light hab ich nur einen Schritt auf den Balkon gemacht. Bei der großen Lichtverschmutzung sind keine Überraschungen zu erwarten, aber für einen Probeschuß auf Messier 42 wird es reichen. Als Optik Kommt der TS APO 101/714mm mit 2″-Flattener (ebenfalls TS) und einem IDAS LPS P2 zum Einsatz. Der von TS angegebene Abstand von 111mm bei 700mm Brennweite passt hier sehr gut, was mir aber nicht so gut gefällt ist die Fokuslage der Kamera mit allen Adaptern und Verlängerungen. Versenke ich die Kamera komplett im OAZ komme ich nicht in den Fokus. Dort ist bei 95mm Auszug Schluß und das reicht knapp nicht. Ich muss die Kamera etwa 25mm rausziehen und klemmen um in den Fokus zu kommen. Dadurch wird die Gesamtkonstruktion unnötig verlängert und ich werde bei Objekten in Zenithnähe definitiv schneller Probleme beim Belichten über den Meridian bekommen. Die Aufnahme besteht aus 9x 300s bei Gain 0 und Offset 8 („Highest Dynamic Rang“-Einstellung).
Der Liveview in APT läuft mit 1 Sekunde Belichtungszeit und 4×4 Binning. Die Auslesezeit ist so schnell, dass man in Echtzeit Fokussieren und Positionieren kann. Das war mit der QHY9 so nicht möglich und ist eine Verbesserung, auch der LiveView der Canon 600Da konnte allenfalls an sehr hellen Sternen so genutzt werden. Wenn es um die exakte Positionierung des Nebels geht muss man natürlich dennoch Probebelichtungen machen. Die Kühlung läuft soweit ich das bis jetzt sehe stabil und auch die Software macht bislang keine Probleme (im Vergleich zur QHY9 und AstroArt, eine Kombinaton die sehr häufig bei mir abstürzte).
Ein paar Tage später gab es erneut eine fast klare Nacht, leider war es sehr windig und die wolkenlose Phase dauert auch nur kurz. Ich habe zwei Probebilder von NGC 2244, dem Rosettennebel gemacht. Einmal mit 300 Sekunden und einmal mit 600 Sekunden bei Gain 90 und Offset 20 (das ist die „Unity“-Einstellung).
Weitere Bilder findest du hier:
Fazit
Ein wirklich Fazit zu ziehen fällt ohne echte Aufnahmeserie natürlich schwer. Die Bilder sehen soweit vielversprechend aus und ich glaube auch eine große Verbesserung gegenüber der Canon 600Da feststellen zu können. Die Möglichkeit der Kühlung wird vor allem im Sommer zum Tragen kommen, aufgrund der Jahreszeit wird es die nächsten Wochen vermutlich schwer aussagekräftige BIider zu erzeugen. Mit 714mm Brennweite sind die meisten Galaxien einfach zu klein für schöne Details.
Nachtrag 30.05.2017
Bei den ersten Tests habe ich die ASI071 mit -15° betrieben, im Winter hat das ohne Probleme geklappt. Im Mai bei meinem Bild des Irisnebel hat sich aber beim initialen Herunterkühlen der Kamera Eis auf dem Deckglas oder Sensor gebildet, dass in Form von schwarzen Punkte auf dem Bild erschien. Erst ein erneutes Aufwärmen und Herunterkühlen hat das Problem gelöst, mit der „Cooling Aid“ bzw. „Warming Aid“ von APT ist das aber kein Problem, ärgerlich war allenfalls der Zeitverlust von 20 Minuten. Gegen Ende der Aufnahmeserie bemerke ich dann noch ein anderes Problem, denn es bildete sich ein dunkler Fleck in den Light-Frames. Da es eh schon wieder hell wurde habe ich die Kamera abgebaut und einen Taufleck genau in der Mitte des Deckglases gesehen. Ich vermute mal ich hätte die Checkbox „Anti-Dew“ aktivieren sollen, die Nacht war recht feucht und vermutlich ist im Laufe der Nacht der Taupunkt immer weiter gesunken.
Nachtrag August/September 2017
Die Nächte in Italien waren feucht und warm, also ideales Wetter für Tau- und Eisbildung auf Sensoren und Deckgläsern. Und so kam es dann auch, das Sensorglas fing von der langen Kante her bei Temperaturen unter 0° an einzufrieren. Aufnahmen waren so nicht zu machen, außerdem hatte ich die Trocknungstabeletten samt Adapter zu Hause vergessen. Daher blieb mir nur übrig, Aufnahmen mit Temperaturen über 0° zu machen. Das war zwar Schade, aber kein Beinbruch. Ursache für die Feuchtigkeit in der Kamera ist wohl, dass die Schraube für den Adapter der Trocknungstabeletten bei den ersten Chargen der ASI071 geringfügig zu lang ist. ZWO hat außerdem bestätigt, dass es eine ASI071 pro geben wird, die über eine besser versiegelte Kammer verfügt und außerdem mit 256MB Pufferspeicher daherkommt. Ein Upgrade ist nur bei ZWO möglich und wird etwa 300$ kosten.
Nachtrag Oktober 2017
Das Einschicken der Kamera gestaltet sich als sehr schwierig. Direkt zu ZWO hat ZWO selber Probleme mit dem chinesischen Zoll, wenn die Kamera mit dem reallen Wert und als Reparatur eingeführt wird. Es fallen wohl diverse Kosten an, weswegen die Kamera als „product sample“ mit einem Warenwert von 40$ eingesendet werden soll. Bei einer Kontrolle könnte es aber zur Beschlagnahmung kommen, wenn herauskommt das 40$ deklariert sind, der Wert aber tatsächlich eher 1.400$ entspricht. Zudem ist der Versand mit Versicherung über 1.000€ horrend teuer (circa 70€) und es ist auch eine entsprechende Zoll-Erklärung auszufüllen. Nach einigem Hin und Her einigte ich mich mit dem Händler darauf, dass er den Rückversand macht. Das Paket ging inklusive Versicherung zurück zum Händler, dort wurde allerdings die Annahme verweigert. Es steht nun Aussage gegen Aussage, DHL sagt die Annahme wurde verweigert, der Händler sagt, es sei nie ein Paketbote dagewesen.
Nachtrag Dezember 2017
Teleskop-Express war so freundlich das Upgrade zu übernehmen, die ASI071MC ist nun also eine ASI071MC Pro. Die Unterschiede sind ein 256MB Buffer und eine integrierte Taukappenheizung. Der erster Test muss aber noch warten, schlechtes Wetter.
Nachtrag April 2018
Endlich ein First Light mit der ASI071MC Pro, die Probleme sind behoben.
Nachtrag Oktober 2018
Doch nicht, nach ein paar Monaten zeigt die Kamera auch nach dem Austausch der Trocknungstabletten wieder die Tau- und Eisprobleme. Ich kühle jetzt nicht mehr unter 0°, denn bis dahin ist alles in Ordnung. In einer Sommernacht schafft die Kühlung eh kaum Minustemperaturen. Gefühlt macht das Häkchen „Anti-Dew“ im Treiber auch keinen Unterschied.
Nachtrag Januar 2020
Bei 0° Kühlung ist die Kamera weiterhin unauffällig, aber sobald es in den Minusbereich geht tauchen die Muster auf den Lights immer wieder auf. Es ist hier aber viel zu selten und wenn dann spontan klar, als dass man jedesmal vorher die Kamera öffnen und die Tabletten austauschen möchte. Folgende Tipps habe ich aus diversen Foren zusammengetragen:
- Kamera immer in einer Plastikbox mit diesen Beuteln mit den Silikatkügelchen lagern. Man bekommt die ja immer mal wieder bei Bestellungen mit dazu, sie ziehen alle Feuchigkeit aus der Umgebungsluft an.
- Kamera an Umgebungstempeatur gewöhnen, also mind. 1 Stunde vor Aufnahmebeginn schon nach draußen legen. Ist halt etwas schlecht, wenn man mit dem Auto erst zum Beobachtungsort fahren muss.
- Die Kamera so langsam wie möglich herunterkühlen, jemand sprach von 20 Minuten für -15°. Ich denke mal das kommt halbwegs hin, je langsamer desto besser. Ist aber auch etwas schlecht, wenn man erst zum Beobachtungsort fahren muss.