Im März 2020 gab es viele klare Nächte und mit zunehmender Einsatzdauer zeigte die Vixen GPD2 wieder altbekannte Probleme: Es ist egal, ob ich mit dem MGEN oder mit PHD2 guidete, in Deklination war die Montierung kaum nachzuführen. Das Spiel der Deklinationsachse habe ich daraufhin mit PHD2 auf über 9.000ms bestimmt. Solange die Polausrichtung gut war, waren auch die Sterne noch rund. Aber jeder Dither-Befehl wurde zum Geduldsspiel und wenn der Guider nicht lange genug wartete, gab es Strichspuren. Kurzerhand habe ich sie noch einmal zur Wartung geschickt, dort wurde die Mechanik neu gefettet und das Spiel wieder eingestellt. Trotzdem blieb die Messung des Spiels in PHD2 auf sehr hohen Werten und das Dithering lief nicht rund. Man soll ja nicht nur nach den Zahlen gehen, man sagt „solange die Bilder in Ordnung aussehen, passt es schon“, aber irgendwie hatte ich doch das Gefühl, dass hier noch nicht ausgeschöpftes Potenzial steckt.
Welche Montierung darf es denn sein?
Schon länger habe ich überlegt, eine Montierung anzuschaffen, vielleicht auch eine Gewichtsklasse höher. Hier gibt es verschiedene Modelle zur Auswahl, die bekanntesten Modelle sind sicherlich die Skywatcher EQ6-R und Alt-AZ EQ6. Beide Montierungen sind solide Arbeitspferde, die von sehr vielen Astrofotografen erfolgreich eingesetzt werden. Aber an diesen Modellen hat mich aber immer das relativ hohe Eigengewicht gestört. Das Achskreuz bei diesen Montierungen wiegt immer um die 16kg. Für einen mobilen Einsatz war mir das zu schwer, deswegen habe ich ein Blick auf die Montierungen von iOptron geworfen. Früher war es die iEQ45, die mittlerweile leider eingestellt bzw. durch die GEM 45 ersetzt wurde. Dieses Modell gefiel mir von den technischen Daten sehr und bei knapp 8kg Eigengewicht trägt sie immerhin 20kg (fotografisch natürlich weniger, Herstellerangaben sind eh immer so eine Sache). Leider war sie nirgendwo lieferbar.
Aber iOptron hat neben deutschen Montierungen (GEM steht für German Equatorial Mount) auch sogenannte Zentrum-Balance-Montierungen. Im Englischen CEM abgekürzt (steht für Center Balanced Equatorial Mount), was schöner klingt. Mancher sagt auch das „C“ stehe für Chinesisch bzw. Chinese. Bei dieser Art der Montierung ist die R.A. Achse zweigeteilt und in der Mitte ist die Deklinationsachse angebracht. Der Vorteil dieser Montierungen ist, dass das Gewicht besser über dem Stativmittelpunkt liegt als bei einer deutschen Montierung. Außerdem sind diese Montierungen auch bei sehr geringen Polhöhen einfacher einzusetzen. Das liegt an der Gegengewichtsstange, die bei dieser Konstruktion weniger schnell mit dem Stativ kollidiert. Ein konstruktionsbedingter Nachteil ist aber, dass diese Art Montierung viel genauer ausbalanciert werden muss. Darüber wird allerdings viel diskutiert, siehe z.B. hier. Letztlich kann man wohl sagen, dass beide Arten von Montierungen sehr gut funktionieren, solange sie vernünftig dimensioniert und konstruiert wurden.
Leider hat iOptron in Europa auch einen schweren Stand, sie werden nur selten empfohlen und in Foren gibt es relativ wenig Erfahrungsberichte.
In englischsprachigen Foren dagegen gibt es einige begeisterte Nutzer und viele sehr kritische Astrofotografen (bei denen nicht immer klar ist, ob sie schon einmal eine CEM oder generell iOptron Montierung hatten oder nicht). Und leider hat sich iOptron bei einigen Modellen auch nicht mit Ruhm bekleckert, so waren lange Zeit Montierungen mit Encodern nicht sehr genau im Tracking. Hier hat es viele Firmware-Updates gebraucht, bis iOptron die Probleme im Griff hatte. Encoder wollte ich aber eh nicht haben und so bin ich letztlich aufgrund meiner Recherchen, unter Berücksichtung der Lieferschwierigkeiten und reichlich Überlegungen, auf die iOptron CEM60 gekommen. Diese hat folgende technischen Daten:
Tragkraft | 27kg |
Eigengewicht Achskreuz | 12.3kg |
Breitengrad Einstellung | 0-70° |
Azimut-Verstellbereich | ±8° |
R.A. Schnecke | 146mm, 288 Zähne, Aluminium |
Dec. Schnecke | 146mm, 288 Zähne, Aluminium |
PEC | Ja |
Periodischer Schneckenfehler | < ±5′ |
Handsteuerbox | Nova 8407+, 212.000 Objekte |
Stromaufnahme | 12V, 0.6A Tracking und 1.1A Goto |
GPS | 32-Kanal, eingebaut |
Polsucher | AccuAlign mit Beleuchtung |
Teleskopaufnahme | 8″ Vixen und Losmandy |
Anschlüsse | 4x USB2.0 2x 12V interne Verkabelung |
Aufbau der Montierung
Die Montierung wurde zügig von Astroshop.de geliefert. Der Zusammenbau war schnell erledigt, denn ich hatte mir zuvor schon einen Stativadapter von JD-Astronomie anfertigen lassen. Im Gegensatz zu meiner bisherigen Montierung, wird die CEM60 über zwei Stifte in West-Ost-Richtung auf dem Stativ gehalten. Die Azimut-Einstellung erfolgt dann mit zwei Schrauben, die frontal angebracht sind. Die Polhöhe wird über eine Schraube eingestellt, die eine Schnecke unterhalb der Montierung bewegt. Dies geht sehr feinfühlig, oder zumindest deutlich feiner als bei der Vixen GPD2.
Mit der Zeit waren hier die Lager etwas uneben geworden.
Für Transport und Lagerung ist die R.A. Achse mit einem Sicherungsstift fixiert. Dieser Stift muss vor der Benutzung unbedingt entfernt werden, sonst kann es zu Schäden an der Montierung kommen (oder erstmal zumindest zu sehr unangenehmen Geräuschen). Der Sicherungsstift dient auch zum Lösen und Anziehen der Schrauben für Azimut und Polhöhe. Eine Quick Start Anleitung erklärt den Aufbau und die Benutzung aber auch genau (wenn auch nur in Englisch). Beim aus dem Koffer heben fällt mir schon das deutlich höhere Gewicht der Montierung auf, ich will gar nicht wissen, wie schwer die EQ6 wäre.
Am Sockel der Montierung befindet sich eine Dosenlibelle und ein Kompass, der bei mir aber nicht nach Norden zeigt. Bei dem vielen Metall in unmittelbarer Nähe aber wohl kein Wunder, den hätte sich iOptron
also sparen können. An der Polhöhenwiege gibt es dann alle Anschluss-möglichkeiten und einen Schalter, nichts davon bewegt sich im Betrieb mit:
- Schalter zum Ein- bzw. Ausschalten
- HBX für die Handsteuerbox
- PORT für Zubehör
- RS232 für die Verbindung zum Laptop
- GUIDE für den Direktanschluss eines ST-4 kompatiblen Autoguiders
- Einen schraubbaren 12V Anschluss für die Stromversorgung
Die Gegengewichtsstange ist mit 28mm Durchmesser deutlich massiver und das Gegengewicht mit 9.5 kg sehr viel schwerer als die knapp 5kg der Vixen GPD2. Bei der Montage der Stange muss die R.A. Achse frei bewegbar sein, damit Zahnrad und Schnecke nicht so stark belastet werden. Ohne Gegen-gewicht ist die Montierung nur mit der Gegengewichtsstange dann ausbalanciert und kann getestet werden. Danach wird bei noch immer gelöster R.A. Achse zuerst das Gegengewicht und dann mit ebenfalls gelöster Dec. Achse das Teleskop aufgesetzt. Klingt sehr wackelig und war es beim ersten Versuch auch. Aber prinzipiell sollte man alle Montierungen so beladen, nicht nur die CEM60. Auf keinen Fall das Teleskop so loslassen, es könnte aufgrund fehlender Balance in eine Richtung kippen und beschädigt werden.
Damit sind wir auch schon beim wohl wichtigsten Thema der CEM60:
Die Klemmung erfolgt über ein sogenanntes „Magnetic Gear Meshing“,
zu deutsch vielleicht so etwas wie „Magentisches Getriebespiel“. Im Gegen-satz zu anderer Montierung gibt es hier keine kleinen Hebel, sondern eine Schraube, die zwischen „Engage“ (= Gekoppelt) und „Disengage“ (= Ent-koppelt) bewegt werden kann. Beim Entkoppeln unbedingt immer mit einer Hand die Ausrüstung festhalten! Während sich bei der GPD2 mit gelöster Klemmung praktisch gar nichts tut, schwingt die Ausrüstung bei der CEM60 sofort in Richtung Schwerpunkt. Beim Einkoppeln sollte man etwas Feingefühl walten lassen, dann stehen die Zahnradspitzen und Schneckenspitzen nicht aufeinander. Dreht man die Schraube bis zum ersten Widerstand Richtung „Engage“ und dann etwa 1/8 zurück, dann ist alles okay. Die Kopplung sollte weder zu fest noch zu schwach sein, sonst rutscht der Antrieb durch. Die exakte Einstellung hängt auch davon ab, wie schwer die Ausrüstung ist. Zu locker eingestellt wird sich die Montierung komisch anhören und beim GoTo nicht sehr genau sein. Zu fest wird auch komisch klingen und vielleicht bewegt sich gar nichts.
Klingt alles sehr kompliziert und ich hatte zunächst große Bedenken deswegen, aber in der Praxis habe ich es einige Male ausprobiert und mittlerweile bin ich schon vertrauter mit diesem Mechanismus.
Ich vergleiche es mal ein bisschen mit dem Schalten im Auto. Als Fahr-anfänger klingt das Schalten auch wahnsinnig komplex und scheint ohne Drehzahlmesser nicht zu gehen. Nach ein paar Fahrstunden hat man aber ein Gefühl dafür bekommen. Letztlich steuere ich damit ja genau den Punkt, den ich bei der GPD2 nie steuern konnte, ohne alles auseinander
zu nehmen. Bei der CEM60 kann ich jetzt je nach Temperatur und Zuladung das Getriebespiel optimal einstellen.
Ausbalancieren der Ausrüstung
Nachdem ich nun alles montiert hatte und meine Kamera am Okularauszug eingesetzt habe, konnte ich sehr einfach das Gleichgewicht herstellen.
Bei der GPD2 musste ich immer ins Extreme gehen, damit eine Achse kippt. Den Punkt, an dem alles ausbalanciert war, konnte ich so nie genau bestimmen. Bzw. ich musste ein leichtes Ungleichgewicht einstellen, was aber nicht so einfach ist, wenn man den Punkt des Gleichgewichts nicht kennt. Bei der CEM60 geht es nun einfach und am Ende der Prozedur kann ich dem Teleskop einen Schubs geben und es schwingt kurz und bleibt
dann genau im Gleichgewicht stehen.
Das Ausbalancieren mit dem TS Photoline Apo gestaltete sich recht einfach, die Kamera befindet sich hinten am Okularauszug. Einzig der Sucher ist etwas abseits der optischen Achse, bringt aber nicht so viel Gewicht auf die Waage. Das Gegengewicht mit 9.5kg lies sich gut im oberen Drittel verwenden. Beim Ausbalancieren eines Skywatcher PDS 200/1000 musste das Gegengewicht schon sehr weit unten auf der Gegengewichtsstange geklemmt werden. Durch die seitliche Kameramontage ist auch das Ungleichgewicht schwerer zu beseitigen. Ich muss das noch weiter beobachten und erst einmal im praktischen Einsatz sehen, ggf. könnte es notwendig werden, Laufgewichte anzubringen.
Negative Seiten
Bislang ist mir nur ein Punkt negativ aufgefallen: Das betrifft die Oberflächen der Polhöhenlagerung, die nicht glatt bzw. neu sind, sondern verschrammt und schon etwas mitgenommen aussehen. Laut Händler war die Montierung aber original verpackt und laut iOptron hat dieser optische Mangel keine Auswirkungen auf die Polhöheneinstellung. Selbstverständlich wäre eine glatte Oberfläche schöner, aber das ist dann wohl der Unterschied zwischen einer iOptron CEM60 und einer Avalon oder Astro Physics, die bei ähnlicher oder etwas mehr Tragkraft ein Vielfaches mehr kosten. Die CEM60 besteht halt aus Gussteilen und wird nicht via CNC aus dem Vollen gefräst.
Handcontroller
Der Handcontroller der CEM60 hört auf den Namen Go2Nova 8407+, es gibt von iOptron noch weitere Modelle für andere Montierungen. Im direkten Vergleich zum Skywatcher Handcontroller fällt sofort das mehrzeilige Display auf und auch ansonsten bietet der Controller einige nette Features. Aber zunächst ein kurzer Blick auf die Info-Anzeige: Hier sieht man sofort, auf welche Position das Teleskop zeigt, an welcher Position man selber steht, Datum, Uhrzeit und die Nachführ- und manuelle Geschwindigkeit.
Die erste Positionbestimmung mit GPS hat circa 2 Minuten gedauert, alle nachfolgenden Bestimmung waren deutlich schneller. Der Handcontroller hat auch eine Echtzeituhr an Bord, er merkt sich also Datum und Uhrzeit. Mit einem Druck auf „MENU“ stehen folgende Menüpunkte zur Auswahl:
- Select and Slew: Hier können Sterne, Deep-Sky-Objekte und Planeten ausgesucht und dann angefahren werden.
- Sync to Target
- Alignment: Neben Ein-, Zwei- und Drei-Stern-Alignment gibt es auch noch das Polaralignment. Die gemessene Abweichungen kann auch angesehen werden.
- Settings: Hier ist es möglich Datum, Uhrzeit und Position abweichend einzustellen. Außerdem kann die Guidinggeschwindigkeit konfiguriert werden und wie sich die Montierung beim Meridian-Durchgang verhalten soll.
- Electric Focuser
- PEC Options: Hier wird die Korrektur des periodischen Schneckenfehlers angelernt und angewendet.
- Park Telescope: Die Standard-Parkposition entspricht übrigens nicht der Null-Position, sie legt das Teleskop waagerecht. Es gibt aber insgesamt vier Parkpositionen: Waagerecht nach Westen, nach Osten, Zenithstellung und aktuelle Position.
- Edit User Objects: Bis zu 60 Benutzer-Objekte können angelegt und gespeichert werden. Zum Beispiel auch die Bahndaten neu entdeckter Kometen.
- Firmware Information
- Zero Position: Die Montierung verfügt über Sensoren, mit Hilfe derer die Null-Position der Montierung bestimmt werden kann. Um den Vorgang zu beschleunigen, die R.A.-Achse leicht Richtung Ost kippen und das Teleskop leicht gen West in Deklination neigen. Dann sollte die Position relativ schnell überfahren werden.
Ein nettes Feature ist die Heizung des Handcontrollers, so beschlägt das Display nicht und das LCD wird nicht träge. Habe ich bislang noch nicht getestet, weil es im Mai warm genug war, sodass keine Heizung notwendig war. Ebenfalls praktisch ist eine kleine rote LED auf der Unterseite des Handcontrollers. Mit Drücken der Lampen-Taste (links unten) bekommt man hier ein kleines Rotlicht zum Lesen, Schrauben suchen etc.
Erste Benutzung
Beim Einschalten der Montierung dauert es ungefähr 1 bis 2 Minuten
bis ein GPS-Signal gefunden wurde. Das erspart mir die Eingabe meines Standortes, des Datums und der genauen Uhrzeit und Zeitzone. Über die eingebaute Echtzeituhr merkt sich die Montierung Datum und Uhrzeit auch. Die Polausrichtung mit dem AccuAlign Polsucher habe ich nur rudimentär vorgenommen, später werde ich den QHY Polemaster verwenden. Der Polsucher scheint mir aber recht genau zu sein und
die Markierungen helfen mit der Handsteuerbox dabei, die richtige
Ausrichtung vorzunehmen. Beim ersten Versuch lag ich in etwa 10-15 Bogensekunden daneben, was schon sehr genau ist, dafür, dass ich nur
einmal durchgeschaut habe.
Wegen der „weißen Nächte“ sind ausgiebige Tests gerade schwierig. Beim ersten Versuch auf Messier 13 lag nach 30 Minuten der RMS-Wert in PHD bei 0.85 Bogensekunden. Beim zweiten Versuch, zwei Tage später, war er etwas höher und lag bei 1.10 Bogensekunden, hier war wohl aber auch die Polausrichtung ungenauer. Die Sterne im Bild waren trotzdem rund, das Dithering zwischen den Aufnahmen machte kein Probleme und es gab relativ wenige Korrekturbewegungen während des Guidens.
Hier die ersten Bildergebnisse:
Da jetzt die Nächte zu hell sind und ich so kurze Belichtungszeiten am Guider habe, dass ich damit nur dem Seeing hinterher jage, werden weitere Tests noch etwas auf sich warten lassen. Aber wie bei der ZWO ASI071MC werde ich diesen Artikel immer mal wieder ergänzen.
Update 1: Ich hatte die Montierung nun etwas länger im Einsatz und habe 1.5 bzw. 1 Stunde lang auf Messier 27 bzw. NGC 7635 gehalten. Die Polausrichtung habe ich dabei mit dem QHY Polemaster vorgenommen. Der RMS-Wert lag bei beiden Sessions unter 1 Bogensekunde.
Update 2: Ich hatte die Montierung zwei weitere Nächte im September im Einsatz. Die erste Session dauerte 3h, die zweite Session dauerte 4.5h. Die zweite Session wurde auch zum Fokusnachstellen unterbrochen, auf einen hellen Stern geschwenkt und wieder auf das Zielobjekt zentriert. Die Genauigkeit dabei ist schon ziemlich hoch, das Objekt befindet sich fast immer in einem 300px Radius um das Bildzentrum. Die RMS-Werte lagen in beiden Sessions unter 1 Bodensekunde, meistens sogar unter 0.75 Bogensekunden. Das Belichten war jedenfalls noch nie so entspannt, ich kann die Montierung einfach laufen lassen.